Medienmitteilung der SP Migrant:innen Kanton Bern vom 2. Mai 2022

Keine weitere Kürzung der Sozialhilfe für Drittstaat-Angehörige

Ausländer- und Integrationsgesetz – Geplante Kürzung der Sozialhilfe: Unzulässiger Eingriff in die Kompetenz der Kantone und menschenunwürdige Ungleichbehandlung unter dem Deckmantel von nicht erwiesenen finanziellen Entlastungen

Das EJPD führt gegenwärtig eine Vernehmlassung über eine weitere Verschlechterung der Sozialhilfe für Personen aus so genannten Drittstaaten durch. Dies greift in unzulässiger Weise in die Kompetenzen der Kantone ein, die allein für Sozialhilfe zuständig sind. Deshalb wehren sich auch die SP Migrant:innen Bern gegen diese weitere Prekarisierung von Armutsbetroffenen.

Im Vorentwurf bzw. erläuternden Bericht zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes behauptet das EJPD, das Massnahmenpaket schränke die Sozialhilfeleistungen für Personen aus so genannten Drittstaaten ein, um Anreize für eine bessere Arbeitsintegration zu schaffen und die Ausgaben der Kantone und Gemeinden zu reduzieren. Beides trifft nicht zu: wer nur noch Nothilfe erhält, d.h. weniger als das Existenzminimum, hat noch weniger Chancen, einen Job zu finden. Und Einsparungen wird es noch weniger geben, weil die Prekarisierung zu hohen Folgekosten führt: Gesundheitliche Probleme und fehlender Zugang zu Bildung stehen der Aussicht entgegen, jemals noch erfolgreich eine eigene Existenz aufbauen zu können. Hinzu kommt, dass die vorgeschlagenen Massnahmen gegen die Grundrechte verstossen und mit der EMRK nicht vereinbar sind.

Zu begrüssen ist allein der Vorschlag, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in Härtefällen an vorläufig Aufgenommene zu konkretisieren. Allerdings geht der Entwurf zu wenig weit. So äussert er sich kaum zur Integration durch Bildung.

«Der Entwurf des Bundesrats weist in die falsche Richtung», stellt Nazan Belinda Walpoth, Ko-Präsidentin der SP-Migrant:innen Kanton Bern fest. Mit den weiteren Kürzungen der Sozialhilfe soll auf Kosten von Menschen gespart werden, deren Situation schon schwierig genug ist. Es ist zudem rechtswillkürlich, die Sozialhilfe auch für Personen einzuschränken, die vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen in die Schweiz eingereist sind.

Immer strengere «Integrationskriterien» hebeln den Begriff der Integration aus. Die neuen Bestimmungen bergen das Risiko, zu einer Art «Sippenhaft» unter den Familienmitgliedern zu führen. Das verstösst gegen die EMRK und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der auch in migrationsrechtlichen Verfahren am Grundsatz der Einzelfallprüfung festhalten. Dieser Grundsatz verbietet alle Formen der Sippenhaft.

Nachdem die gesetzlichen Bestimmungen seit 15 Jahren konsequent zu Ungunsten der Migrationsbevölkerung verschärft wurden (das AsylG wurde zwischen 2000 und 2006 siebenmal verschärft) ist der Bogen definitiv überspannt. Die SP-Migrant:innen Kanton Bern fordern:

  • Das System der Asylnothilfe gehört abgeschafft. Wer in Not gerät, hat ein Recht auf Existenzsicherung, auf Bildung und Kinderbetreuung – auch Migranten und Migrantinnen.
  • Die aktuelle Verknüpfung der Sozialhilfe mit dem Aufenthaltsrecht und den Einbürgerungschancen muss aufgehoben werden. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun und führt nur zu einer Prekarisierung ganzer Bevölkerungsgruppen mit unabsehbaren Folgen für die ganze Gesellschaft.
  • Zumindest braucht es eine Schutzfrist. Ein Widerruf des Aufenthaltstitels nach 10 Jahren ununterbrochenem legalem Aufenthalt bei Sozialhilfebezug darf nur widerrufen werden, wenn dieser mutwillig herbeigeführt wurde.
  • Der Entwurf geht vom Generalverdacht aus, dass Sozialhilfebezüger:innen nicht arbeiten wollen; die Vorstellung, mittels Kürzung der Sozialhilfe eine bessere Integration der Betroffenen zu fördern, ist weltfremd und zynisch. Die Verschärfungen widersprechen dem Kindeswohl, soweit Familien betroffen sind.
  • Integrationsauflagen müssen die Privatsphäre der Betroffenen respektieren und müssen die Rechte von Ehegatt:innen und Kindern unabhängig beurteilen.
  • Die Vorlage bildet eine unzulässige Kompetenzüberschreitung des Bundes. Für die Regelung der Sozialhilfe ausserhalb des Asylbereichs sind die Kantone zuständig. Die Revision betrifft den Asylbereich nicht.

Weitere Anliegen der SP-Migrant:innen Kanton Bern sind:

  • Wir fordern eine starke politische Stimme für alle. Wer hier lebt, arbeitet und Steuern zahlt, will auch abstimmen und wählen können. Das fordern wir in unserer Kampagne «Stimmrecht für alle» - auch für Personen ohne Schweizer Pass.
  • Wir setzen unsere bisherige Einbürgerungskampagne fort.
  • Wir wirken in der Allianz «Armut ist kein Verbrechen» mit.
  • Wir fordern verstärkte Bildung von Migrant:innen, weil Bildung der Schlüssel für politische und kulturelle Teilhabe ist.
  • Wir setzen die Arbeit zu unserem bestehenden Afghanistan-Netzwerk fort.
  • Wir fordern mit der stadtbernischen Partizipationsmotion «Haus der interkulturellen Begegnung» die Einrichtung eines «Hauses der transkulturellen Begegnung.

Auskunft

Nazan Belinda Walpoth, Ko-Präsidentin der SP-Migrant:innen Kanton Bern und Grossrätin,
079 311 15 91

Yvan Kolak, Ko-Präsident, 079 153 53 18

Materialien

Stellungnahme der SP-Migrant:innen Kanton Bern: Vernehmlassung zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes, Einschränkung der Sozialhilfeleistungen für Personen aus Drittstaaten

Jahresziele 2022

Gründungsversammlung

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